Raumfüllende Klänge von bestechender Vielfalt

Drei Riedlinger Orchester gestalten beindruckendes Jubiläumskonzert

Wolfgang Störkle mit Unterhaltungsorchester "Tastenzauber" (Foto : Kurt Zieger)

SZ.23.10.2024 Von Kurt Zieger

90 Jahre Akkordeon-Orchester, 30 Jahre Tastenzauber, dazu das eigene Jugendorchester vereinten sich im Konzert zu teilweise überquellender Klangfülle.

Die prall gefüllte Gemeindehalle Daugendorf bot den passenden Rahmen für ein vor allem durch Klangvielfalt beeindruckendes Konzert. Besinnlichere Teile kamen ebenso zur Geltung wie farbenfroh leuchtende, organisch kompakte und rhythmisch bestimmte Programmpunkte, die teilweise die Halle zum Beben brachten. Voll Freude begrüßte Petra Sauter als 1. Vorsitzende neben offiziellen Vertretern von Ort, Stadt und Nachbarvereinen vor allem Akkordeonfreunde aus der Schweiz. „90 Jahre“, so zitierte sie die Vereinschronik, stehen für Höhen und Tiefen, vor allem jedoch für nachhaltige Erlebnisse im Reich des Akkordeons.“ Vieles sei nur mit Hilfe vieler ehrenamtlicher Arbeit möglich gewesen. Dem stimmte Joachim Reis als Vertreter von Bürgermeister Markus Schafft zu. Das mit vielen Auszeichnungen belohnte Riedlinger Akkordeonorchester sei weit über die Stadt hinaus bekannt. Besonderen Respekt zollte er der Arbeit im Bereich der Jugendausbildung.

Den Auftakt des Konzerts gestaltete das Jugendorchester, dessen Leiterin Cornelia Cammerer man unter den Aktiven entdecken konnte. Temperamentvoll erzählte Sigrid Lenz die Geschichte der Villa Timecode, die für Lucy und Knut zu einem unerwarteten Erlebnis wurde. Motivierende Klänge versinnbildlichten die Abenteuersuche, bis man unter geheimnisvoll-fetzigen Klängen das Spukschloss Timecode erblickte. Trotz Staub und Spinnweben wird in einen Raum durch einen Laserstrahl Johann Sebastian Bach projiziert, umgesetzt in ein tänzerisch leichtfüßiges Menuett des Meisters. Nicht weniger aufregend rhythmusbetonte Bauchtänzerinnen aus dem Land der Pyramiden, ein Blick zu den Neandertalern oder eine Show mit Elvis Presley auf der Bühne. Doch plötzlich war alles nach vielen ganz unterschiedlichen Musikstücken nur ein altes schäbiges Zimmer mit einem kurzgefassten Finale, vom Publikum mit viel Beifall bedacht und von den Musikern mit einer mitreißenden Polka beantwortet.

Charmant lächelnd, doch stets zielstrebig führte Cornelia Cammerer mit motivierendem Dirigat das Hauptorchester durch viele Epochen hörenswerter Werke seit Gründung des Orchesters im Jahr 1934. Bei „Morricones Special“ gab Carolin Schäfer (Mundharmonika) den ersten Ton vor, auf dem die verschiedenen Register des Orchesters sich beim Medley aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ einbringen konnten.  Beim Rückblick auf das Wertungsspiel 2016 in Innsbruck vereinten sich Melodie und Rhythmus bei „Auf uns“ von Andreas Bourani, gefolgt von „Fields of Gold“ mit seinem herrlichen Melodienspiel. Solistische Phasen band die Dirigentin organisch in den Gesamtklang zu einem wogenden Tonteppich ein. Fließende Melodik und rhythmische Exaktheit, harmonische Klangpracht und unerwartete Rhythmuswechsel verbanden sich zu einem hochklassigen Mosaik aus „My Switzerland“, mit dem sich das Orchester 2025 wieder einer internationalen Jury beim Wertungsspiel vorstellen wird.

 

 

Bestens nachvollzogen danach die künstlerische Verflechtung von Barock und heiter gefasster Moderne beim „Rondo Veneziano“, Lebensfreude und pure Energie, fetzig mitreißend in Soli und im Tutti bei Queens „Don't stop me now“, nochmals aufblühend in Melodie und Rhythmus beim zeitlosen Klassiker „Music“ von John Miles, das Orchester sprühte vor Freude am gemeinsamen Musizieren und Können auf anerkannt hohem Niveau. Dies trifft uneingeschränkt auch für das Unterhaltungsorchester „Tastenzauber“ zu, das bei diesem Konzert sein 30-jähirges Bestehen feierte. Dirigent Wolfgang Störkle führte nicht nur im Rückblick auf die Teilnahme bei einer Steuben-Parade im Herzen Amerikas seine Musikerschar souverän durch das musikalisch durchwegs vielschichtige Angebot. Lebensfroh in der Melodie „Floral Dance“ von Katie Moss aus dem Jahr 1911, bunt und unverwüstlich ein Medley mit Schlagern aus den 1960er-Jahren. Wencke Myhres „Apfel“, Lolita und ihr „Seemann“ und Siw Malmkvists „Liebeskummer“ haben nichts von ihrem Charme verloren, was auch am Mitsingen aus dem Publikum zu hören war. Als gut durchdachte Ausweitung danach schwungvoll Jürgen Marcus mit seiner neuen Liebe in einem neuen Leben. Virtuose Passagen zu exaktem Rhythmus prägten den fulminanten Teil des „Tango sentimentale“ des Akkordeon-Virtuosen Rudolf Würthner, dessen graziler Zwischenteil mit seiner lieblichen Melodie fast zum Träumen einlud. Klar in der Melodie, sauber im Takt, beides in originellen Klangkombinationen, so erklang „Go West“ aus dem Jahr 1933, spritzig und eingängig, klanglich imposant der „Feuerreiter“ von Curt Herold, für Musiker und Publikum gleichermaßen anregend. Mit „I will survive“ von Gloria Gaynor, dem Pop-Hit aus dem Jahr 1978, zog „Tastenzauber“ nach einmal alle Register seines Könnens und beschloss damit ein Jubiläumskonzert, das die Schönheit und die konzertanten Möglichkeiten des Akkordeonspiels in der orchestralen Vereinigung aufzeigte und vom Publikum lautstark und nachhaltig mit Beifall gewürdigt wurde.

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